Warum gerade Progressive Rock ? - meine ganz persönliche Geschichte

Es war einmal ein 15-jähriger Knabe, der nervte seine Eltern damit, dass er sich tagtäglich den Krach von merkwürdigen Typen wie "Dipp Püppel", "Uraiah Hepp" und "Jimmi Händricks" zu Ohren führte. Jeden Pfennig des kargen Taschengeldes investierte der Dummkopf in diese blöden "Elpehs". Aber es kam der Tag, an dem alles noch schlimmer werden sollte ...

Eher durch Zufall stieß ich 1973 in einem Plattenladen auf das damals brandneue Triple-Album "Yessongs" von YES. Was ich da zu hören bekam, übertraf alles, was ich mir vorstellen konnte. Jimi Hendrix war ein Genie auf der Gitarre, keine Frage, aber einen derart komplexen Sound gespielt mit einer unbeschreiblichen Virtuosität hatte ich bis dahin noch nie gehört. Der Preis von 38.-- DM für dieses Meisterwerk  war jedoch damals für einen Schüler unerschwinglich. Gottseidank nahte der nächste Geburtstag und meine Erzeuger zeigten sich überraschend verständnisvoll. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich in den Monaten danach "Close To The Edge", "Siberian Khatru" und "Heart Of The Sunrise" gespielt habe. Es war für mich jedenfalls die Begegnung der 3. Art, die wohl jeder Musikliebhaber irgendwann einmal hat. A ProgManiac was born ...

Die Platte habe ich immer noch, wenngleich dem leicht angeschrammten Stück bereits die CD-Version zur Seite gestellt wurde. Nach über 30 Jahren zählt diese Platte noch immer zu den 5 liebsten Stücken meiner umfangreichen Sammlung.

Dann machte ich Bekanntschaft mit ELP, Genesis, Gentle Giant, Jethro Tull, Gryphon, Pink Floyd uva. Auch auf deutsche Gruppen wie Eloy, Jane, Wallenstein, Triumvirat und Anyone´s Daughter wurde ich aufmerksam (AD's Konzert in der Hagener Waldschänke bleibt unvergessen). In Italien tauchten Namen wie P.F.M., Le Orme und Aetna auf, aus Frankreich schallten Pollen, Magma (was für eine Musik !) und Atoll herüber, in Holland gab es Focus. In den 70-ern boomte das Genre in ganz Europa. Dann wurde es sehr ruhig um die progressive Spielart des Rock. Punk rulez; die 80-er gehörten den Disco-Kids, viele Gruppen verschwanden in der Versenkung. In den 90-ern ging es zu meinem Entsetzen mit Techo-Horror weiter, aber dennoch blühte ein Röslein im Verborgenen :

Plötzlich gibt es sie wieder: ELP (reformiert, leider schon wieder weg), Jethro Tull (nie aufgelöst, aber bis heute enorm stark), Eloy (starkes, wenn auch nur kurzes Comeback),  Kansas (kraftvoll  wie eh und je), King Crimson (immer dagewesen). Und natürlich YES : Mit "Keys to Ascension 1/2" und einem Livealbum, dass man sich im Internet selbst zusammenstellen kann, setze ich meine Schwärmerei über 25 Jahre nach "Yessongs" fort. Bis heute (2007) erfreut mich die Band mit fantastischer Livemusik.

Daneben werden viele alte Platten, bislang als verschollen geglaubt, auf kleinen Labels wiederveröffentlicht (MUSEA, Mellow usw. sei Dank). War das 80-er Revival noch eher ein laues Lüftchen (wer kannte damals schon IQ, Pendragon oder Pallas ?), erreicht in den 90-ern die progressive Spielart des Rock die Ohren der Fans als Sturm.

Und heute ? Der Konzertplan ist prall gefüllt: die Progger sind live präsent. Neue Festivals sind entstanden wie das pROCKfest in Bünde/Westf., Night of the Prog auf der Loreley, ProgResite im Spirit of 66 (Vervier/Belgien) und erfreuen sich wachsender Zuschauerzahlen. Viele neue Namen sind aufgetaucht, Gruppen mit jungen Musikern, die noch im Mutterleib mitrockten, als Keith Emerson auf der Bühne seine Hammond-Orgel mit dem Messer traktierte (und es sind auch deutsche Bands darunter) :
  

Diese kleine Auswahl von Vertretern des "Neo-Prog" haben der Progressiven Rockmusik viele neue Impulse gegeben, ohne die alten Vorbilder je zu verleugnen. Suchet, und ihr werdet sie finden !

Keep on proggin' ...

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